Ich habe eine Freundin, mit der ich während der vielen vielen Turniere unserer Kinder immer wieder über das Leben und die Menschen philosophiert und schwadroniert habe. Oft haben wir geunkt: "Die Menschheit rennt sehenden Auges ins Verderben. Wegen all der Gier, des ständigen Reisens und des blinden Konsums richten wir die Natur, den Planeten und uns gegenseitig mit voller Absicht zugrunde." ... und oft haben wir uns – eher mit einem belustigtem Unterton denn mit einem ernsten – Utopien ausgemalt wie "eines Tages kommt ein Virus, der die Menschen dahinraffen lässt wie einst die Pest oder die Spanische Grippe – vielleicht wird das die Rache der Natur an uns Menschen sein. Die Natur war und ist immer stärker als wir. Wir glauben es nur nicht"
Ihr Leut`, ich hätte doch nicht im Traum daran gedacht, dass aus dem Gerede von gestern innerhalb kürzester Zeit bitterer Ernst werden würde. Nun ist unsere Welt in jeder Hinsicht aus den Fugen geraten.
Wie ich die letzten Wochen erlebt habe:
Schon im Februar habe ich die Entwicklungen mit Besorgnis beobachtet und sagte Verpflichtungen und Termine (unter anfänglichem Protest meiner Familie) eiskalt ab.
Letzte Woche habe ich die ältere Verwandtschaft gezwungen, ab sofort komplett Zuhause zu bleiben und dieses nicht mehr zu verlassen. Die Einsicht kam zum Glück sehr schnell. Einkäufe haben wir erledigt. Der (vorläufige) komplette Abschied von den jüngsten Familienmitgliedern war für alle Beteiligten dennoch sehr schwer.
Montagmorgen im Wetterpark – unser vorerst letzter "Ausflug" |
Seit dem letzten Wochenende haben wir unsere vier Wände so gut wie gar nicht mehr verlassen. Kein Supermarkt (letzter Besuch vor einer Woche – und es war merkwürdig), keine sozialen Kontakte. Am Montagmorgen war ich ganz früh mit dem Nachwuchs eine Runde im menschenleeren Wetterpark laufen. Und dann ist da noch das Haustier, das sich die Beine vertreten muss. Und das wär`s dann.
Wenn wir in den letzten Tagen in den nahe gelegenen Wald gegangen sind, haben wir niemanden angetroffen, außer gestern. Da hat sich folgende Szene zugetragen:
Wir liefen den Waldweg entlang und sichteten schon in weiter Ferne einen Vater mit seinem Kind – beide mit dem Rad unterwegs. Als sie uns entdeckten, stiegen sie ab und warteten am äußersten Rand, ja fast schon im Gestrüpp. Als wir vorbei liefen, mit einem Abstand von bestimmt fünf oder sechs Metern, drehten sie sich weg. Das ist die neue Realität. Ich finde es gut, wie die beiden reagiert haben.
Wenn ich dann allerdings registriere, dass auf dem Spielplatz, der sich in Sicht- und Hörweite unseres Zuhauses befindet, scharenweise Eltern mit ihren Kindern mitunter stundenlang aufhalten, kann ich nur noch den Kopf schütteln. (Ich höre sie auch in diesem Moment.) Ich kann auch nur noch den Kopf schütteln, wenn mich eine Nachricht von jemanden erreicht, der an der Eisdiele vorbeifuhr und haufenweise Rentner auf den Stühlen sitzen sah. Eis essen ja, aber vielleicht doch eher "to go"?!
Ich verstehe auf der einen Seite sehr gut, dass es furchtbar nervt, von morgens bis abends Kinder sinnvoll zu beschäftigen oder den Tag irgendwie rumzuschlagen. Das ist Schwerstarbeit und die eigenen Nerven liegen irgendwann blank. Normaler Wahnsinn.
Heute Nachmittag habe ich meinen älteren Verwandten etwas zu essen vorbei gebracht (wohlgemerkt Lebensmittel, die wir ohnehin Daheim hatten). Ich kam mir fast schon lächerlich vor, aber es lief so ab: Mit dem Auto rangefahren (normalerweise wären wir mit dem Rad hingefahren), Fensterscheibe runter, Beutel vom Verwandten vom Beifahrersitz nehmen lassen, Fenster hoch. Abfahrt.
Ist das übertrieben? Ist das ein kopfloses, hysterische, panisches Verhalten? Oder ist eine solche "Übergabe" genau richtig abgelaufen?
Auf dem Rückweg bin ich durch Bieber gefahren. Es tat gut, einmal kurz, wenn auch nur im Auto, nicht Zuhause zu sein. Mein Weg führte mich an unserer Kirche vorbei. Ich habe mich seit Monaten auf das frisch renovierte Gotteshaus gefreut. Schon den Weihnachtsgottesdienst mussten wir "auswärts" feiern, umso mehr habe ich auf das Osterfest hingefiebert – dann sollte die Kirche wieder "in Betrieb" gehen. Nun, das hat sich ja nun erst einmal erledigt.
Interessanterweise sah in beim Vorbeifahren viele kleine Zettel, die auf einer Bast-Leine festgemacht wurden. Ich hielt an und nahm einen Zettel herunter (bescheuertweise ertappte ich mich dabei mich zu fragen, ob die Covid-19-Viren auch auf Papier haften bleiben beziehungsweise überleben können ...).
Unsere Pfarrerin Irmela Büttner hat einen Blog eingerichtet. Kirche trotz Corona – für mich tatsächlich ein Trost. Der Link ist hier.
Viele Menschen aus meinem Umfeld steigen nun sehr rasch um auf Digitalität. Heute Abend nehme ich an einer Online-Meditationsstunde teil, die vom Offenbacher Aikido-Zentrum initiiert wird. Die Trainer versorgen die Mitglieder seit Tagen mit Videos und Podcasts. Ich finde das so großartig!
Dann habe ich heute mit Stephanie Zahn von den Bummelkindern Kontakt aufgenommen. In der Vergangenheit habe ich Bücher immer bei ihr bestellt (und im Moment brauche ich dringend Lesestoff). Sie hat mir mitgeteilt, dass das auch nach wie vor geht und sie die Bücher zum Beispiel vorbeibringen (Service) oder verschicken kann.
Außerdem habe ich eine InstaStory von den Genussverstärkern gesehen, die nun auch einen Versand anbieten. Viele andere Geschäfte sind auch kurzfristig umgestiegen zum Beispiel das Musikhaus André, die Strandperle, die Etagerie, Art+Creativ Bieber, die Buchhandlung am Markt und die Steinmetz`sche Buchhandlung sowie wie viele andere auch. Es ist so so wichtig, diese Läden in dieser Krise zu unterstützen.
Bitte unterstützt auch den Waldzoo mit einer Spende! Er ist dringend darauf angewiesen.
Ich wünsche euch allen ALLES GUTE, GESUNDHEIT und das ihr die Krise (in gesundheitlicher, nervlicher und wirtschaftlicher Hinsicht) gut und mit viel Würde übersteht.
In den nächsten Tagen melde ich mich bestimmt dazu wieder.
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