Donnerstag, 21. Januar 2021

Offener Brief an Bürgermeister Peter Freier

Sehr geehrter Herr Freier,


in regelmäßigen Abständen habe ich mich in den vergangenen zweieinhalb Jahren hinsichtlich der Verkehrssituation zwischen dem Neubaugebiet „An den Eichen“ und dem Neuen Friedhof schriftlich an Sie gewendet und möchte dies nun in Form eines offenen Briefes an Sie erneut tun, da ich meine genannten Schreiben (zuletzt im Herbst 2020) leider keine Antwort erhalten habe. Auch unser kurzes spontanes Gespräch im „Corona“-Frühling am Gartenzaun hat zu keinem weiteren Handeln – zumindest zu keinem sichtbaren – geführt. Kurz gesagt: Es ist nichts passiert!

Zu Ihrer Erinnerung nachfolgend noch einmal eine kurze Darstellung der Problematik: Wie Sie wissen, besucht mein ältestes Kind die Friedrich-Ebert-Schule in Offenbach-Waldheim. Das Konzept ebendieser Grundschule sieht vor, dass die Kinder bereits im Alter von fünf Jahren in die sogenannte Eingangsstufe kommen. Da die Schule nur etwa gute 10 Minuten Fußweg von unserem Zuhause entfernt liegt, verbietet sich ein regelmäßiges Zur-Schule-bringen mit dem eigenen Pkw meiner Meinung nach sowohl aus pragmatischen als auch aus ökologischen Gründen. Auch sollte doch, wo es nur geht, verhindert werden, dass sich „Eltern-Taxen“ vor der Schule stauen und dadurch Gefahrensituationen heraufbeschworen werden. Somit ist der Schulweg zu Fuß die erste Wahl! 

Schon kurz nach der Einschulung meines Kindes habe ich mich erstmals bei Ihnen gemeldet: Sämtliche Schulkinder aus dem Wohngebiet müssen auf ihrem Schulweg über die Brücke Richtung Neuem Friedhof laufen und danach die höchstfrequentierte Mühlheimer Straße überqueren. Sowohl auf besagter Brücke als auch im gesamten Wohngebiet gilt – wie Sie als Anwohner wissen – eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/hDiese wird jedoch in vielen Fällen überschritten, zahlreiche Autofahrer halten sich nicht an dieses Tempolimit und durchfahren das Wohngebiet zwischen dem Kreisel und dem Neuen Friedhof mit teils deutlich überhöhter Geschwindigkeit. 







Sie mögen nun entgegnen, dass dies ein subjektiver Eindruck sei, doch gestehe ich mir durchaus so viel physikalischen Sachverstand zu, dass ich erkennen kann, wenn ein Fahrzeug deutlich schneller als 30 km/h fährt. Zumal diese Beobachtung von vielen anderen Bewohnern und Eltern bestätigt wird. 

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich – auch in vielen anderen Teilen Offenbachs – mittlerweile eine Art "rechtsfreier Verkehrsraum“ entwickelt hat, in dem die Autos so schnell fahren, wie es ihnen gerade beliebt und in dem sogar regelmäßig genötigt und überholt wird, wenn man sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit hält. Daraus resultiert nicht nur für die Schulkinder die potenzielle Gefahrenlage, dass sie bei dem geringsten Stolperer oder Schubsen auf dem Schulweg, wie er bei Kindern dieses Alters gerade in Gruppen durchaus vorkommen kann, dazu kommt, dass ein mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeifahrendes Fahrzeug einen schweren Unfall verursacht. Somit ist der Schulweg zu Fuß eine riskante Angelegenheit, die er eigentlich nicht sein sollte! 

Auch der immer wieder geäußerte Einwand, dass die Kinder eben aufpassen sollten, ist bei näherer Betrachtung vollkommener Unsinn: Zum einen hat im Straßenverkehr der stärkere Verkehrsteilnehmer auf den schwächeren Rücksicht zu nehmen und zum anderen kann es vorkommen, dass es eben nicht im Einfluss des Kindes liegt, wenn es etwa auf dem relativ schmalen Fußweg auf der Brücke von einem zu schnell vorbeifahrenden Fahrzeug touchiert oder gar angefahren wird.

Wie ich Ihnen zudem ebenfalls mehrfach erläutert habe, halte ich die Tatsache für äußerst problematisch, dass es auch für Radfahrer keinen durchgehenden – idealerweise baulich oder zumindest farblich abgegrenzten – erkennbaren Radstreifen gibt: Vielmehr laufen die Markierungen auf der Brücke ins Leere und vereinen den Radweg mit der normalen Fahrspur. Man muss als Eltern mithin nicht mehr ganz bei Trost sein, um sein Kind mit dem Rad in die Schule zu schicken, da dieses Verkehrsmittel aufgrund der geschilderten Situation ein noch einmal gesteigertes Gefährdungspotenzial besitzt als der Fußweg. Die Fahrzeuge fahren teilweise im Zentimeterabstand an einem vorbei – und sind dabei zu schnell. Erlauben Sie mir die Frage, wie oft Sie selbst diesen Radweg genutzt haben bzw. ob Sie sich dabei sicher fühlen? Somit kommt die Nutzung des Rades, wie sie ja auch in Offenbach von unterschiedlichster Seite gefordert und durch diverse neue Radwege forciert wird, an dieser Stelle kaum in Frage.

Ich habe mehrfach Lösungsansätze vorgeschlagen, um den Schul- und Radweg für die schwächeren und schwächsten Verkehrsteilnehmer sicherer zu machen:

  • Aus der Ulmenstraße könnte eine Einbahn- oder zumindest Anliegerstraße gemacht werden; Der Weg durch das Wohnviertel ist eine beliebte Abkürzung zwischen B448 und Mühlheimer Straße, was wiederum kein Recht ist, auf das sich Pendler aus dem Umkreis berufen können sollten,
  • eine Fahrbahnverengung bewirken, sodass die Autofahrer gezwungen sind, abzubremsen und zu warten, bis das entgegenkommenden Fahrzeug passiert hat,
  • breitere und farbliche markierte bzw. baulich abgetrennte Radstreifen einrichten,
  • weitere bauliche Maßnahmen zur Temporeduktion einrichten (etwa Kübel, Poller, Huckel),
  • Leit- bzw. Schutzplanken, die die Fußgänger vor den Autos schützen; momentan sind die Leitplanken am Rand des Gehweges angebracht und würden nur verhindern, dass ein Fahrzeug von der Brücke stürzt,
  • ein fest montierter Blitzer innerhalb des Wohngebietes, idealerweise an der Brücke; gelegentliches mobiles Blitzen hat offensichtlich kein Umdenken bei den Autofahrern bewirkt.

Seit einiger Zeit hängt an der Auffahrt zur Brücke (Ulmenstraße Richtung Neuer Friedhof) wieder eine digitale Infotafel, die den Autofahrern ihr aktuelles Tempo anzeigt, verbunden mit entsprechen Smileys. Bei meinem jüngsten Gang über die Brücke vor wenigen Tagen konnte ich folgende Geschwindigkeiten ablesen: 56 km/h, 64 km/h oder auch mal „nur“ 39 km/h. Der rote Smiley mit seinen heruntergezogenen Mundwinkeln kam aus dem Leuchten gar nicht mehr heraus, nicht ein einziger Autofahrer war im „grünen Bereich“. Wie Sie selbst wissen, bestätigen auch durchgeführte städtische Messungen diese Beobachtung.

Ich bin nicht länger bereit, eine Verkehrsmoral zu akzeptieren, in der der „Stärkere“ auch immer „Recht hat“ und fahren darf, wie er gerade Lust und Laune hat. Ich kann von meinem Kind behaupten, dass es sich im Straßenverkehr sehr umsichtig und konzentriert verhält, sowohl als Fußgänger als auch als Radfahrer. Trotzdem ist ein Kind ein Kind, sind (Grundschul-) Kinder im Alter von fünf Jahren aufwärts noch kleingewachsene Menschen ohne Routine und Erfahrungen. Manche Kinder sind auch – weil es eben Kinder sind – vielleicht unsicher. Vielleicht schlenkert das Fahrrad doch ein wenig, vielleicht wird ein Kind mal von einem anderen Kind auf dem Bürgersteig angerempelt, während gerade einer der genannten Laser vorbeikommt… Und dann?

Offen gestanden drängt sich nicht nur mir mittlerweile der Eindruck auf, dass die Angelegenheit einfach ausgesessen werden soll, bis ich und andere in Ermangelung irgendeiner sichtbaren und nachhaltigen Reaktion einfach resignieren – und ihr Kind auch nur noch mit dem Auto bis vor die Schultür fahren. Ich biete Ihnen hiermit gerne an, dass Sie mich und mein Kind einmal für eine Woche auf seinem Schulweg begleiten oder sich wenigstens einmal für eine halbe Stunde auf die Brücke stellen, um sich einen wirklichen eigenen Eindruck zu verschaffen. 

Sehr geehrter Herr Freier, als zuständiger Dezernent erwarte ich von Ihnen, sich der Sache endlich ernsthaft anzunehmen und zu handeln, auch vor dem Hintergrund des weiter wachsenden Wohngebietes mit sicherlich vielen weiteren Kindern, die sich in den kommenden Jahren auf dem (Schul-) Weg in die Friedrich-Ebert-Schule machen! Sollte ein Fußgänger oder Radfahrer, gar ein Kind, auf dieser Strecke zu Schaden kommen, was wirklich niemand hofft, dann können Sie nicht behaupten, dass die gefährliche Situation nicht bekannt war und man nun prüfen werde, wie man die Strecke „entschärfen“ könne. Es ist meiner Meinung nach reines Glück, dass es bislang nicht bereits zu mehr Unfällen gekommen ist.

Vielen Dank im Voraus!


Hochachtungsvoll

Anna Köhler

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